
Auf unserem Städtischen Friedhof gibt es einen Obelisken, der trägt vier Frauennamen. Jedes Jahr wurde diese Geschichte bei Friedhofsführungen erzählt. Das endete 2024 mit Renteneintritt der Friedhofschefin. Damit die Geschichte der vier Frauen nicht in Vergessenheit gerät, hab ich sie hier aufgeschrieben.
April 1945
Es ist der 11. April 45 und E. W. Giese notiert in sein Tagebuch, welches er vom 5. Januar 1945 bis Mai 1945 führt:
„Erschießen wegen Plünderung
Am 11.4.45 wurden durch ein Exekutionskommando des 4. Zuges auf dem Gelände des Schießstandes der NSDAP in Moys wegen Plünderns erschossen:
1. Hildegard Walter geb 17.4.01 aus Görlitz
2. Elfriede Majewski geb 15.4.20 in Senftenberg
3. Herta Schumann geb 13.9.20 in Senftenberg
4. Elsa Rothe geb 27.12.22 in Nieder Ullersdorf“

Vier Frauen, zwischen 23 und 44, drei noch nicht mal gebürtige Görlitzerinnen. „Geplündert“ haben sie. Oder doch nur Essen und Kleidung gesucht für sich und die Kinder?
Es gibt eine zweite Meldung dazu, dieses Mal aus der „Oberlausitzer Tagespost“ vom 21.4.1945, die besagt:
„Die 44jährige Ehefrau Hildegard W. aus Görlitz, Adolf-Hitler-Straße, hat aus der Wohnung von evakuierten Hausgenossen Wäsche und Lebensmittel geplündert. Sie ist deshalb durch Urteil des Sondergerichts Görlitz als Volksschädling zum Tode verurteilt worden.“

Der Diebstahl wird zur „Plünderung“ in Kriegszeiten. Die Diebin damit zum „Volksschädling“ stilisiert. Das völlig überzogene Strafmaß führt zur Ermordung. Die Frauen gelten damit aus heutiges Sicht als Opfer des zweiten Weltkrieges.
Danach
Wie ging es nun weiter?
Auch im Durcheinander der letzten Kriegstage mit seinen vielen Toten aus Larzaretten und durch solche Entscheidungen, bekamen die 4 Frauen eine Einäscherung und jede eine Urne. Dort allerdings endet die ordentliche Bestattung. Eine Grabstelle bekommen sie nicht. Sondern sie werden mit weiteren „unliebsamen Verstorbenen“ in vielen Urnen auf einer Wiese des Friedhofes verscharrt. Kein Kreuz, kein Name, kein nichts.
Dort endet eigentlich die Geschichte.
Ende der 80er
Die besagte Wiese soll umgestaltet werden und die alten Friedhofsmitarbeiter wissen noch, dass dort die ganzen Urnen liegen müssen. Die Recherche ergibt, dass sich dazu tatsächlich Unterlagen finden lassen. Beim Graben kommen die Urnen wieder zum Vorschein. Die Urnennummern von Hildegard, Elfriede, Herta und Elsa stehen noch in einem Register. Und tatsächlich: Man findet die passenden Urnen zu den Registernummern. Nun sind sie wieder da.
Anfang der 90er
Es sind die Jahre, wo alles noch ein bisschen freier ist und weniger geregelt wie heute.
Von irgendwoher kommt ein Obelisk und ist erstmal übrig. Und immernoch wabert die Geschichte der erschossenen Frauen durch den Hinterkopf der damaligen Friedhofschefin.
1997
Dann ergibt es sich, dass sogar Geld da ist, um die Namen der vier Frauen auf den Obelisken meißeln zu lassen. „Man brauchte damals noch keine kilometerlangen Anträge“, sagt sie heute. „Und Ämter waren mutiger.“ Alles fügt sich zusammen: Hildegard, Elfriede, Herta und Elsa bekommen einen würdigen Gedenkort – und mahnen uns heute als tragische Opfer des Nazi-Regimes von Görlitz.

Ort
Der Obelisk befindet sich heute im Grabfeld XVI. Das ist auf dem Teil des Städtischen Friedhofes zwischen Krematorium und Betriebshof. Die Friedhofstraße hat hier eine kleine Tür. Wenn man den Weg einfach nur gerade aus geht, steht der Gedenkort unter Bäumen. (Unweit Grabstelle Mattke).

Und so gehört dieser Obelisk mit zu den Kriegsgräbern und Gedenkorten.
Eure wertschätzenden Kommentare
„Ich habe mich schon oft gefragt, was es mit dem Obelisken und den 4 Frauen auf sich hat. Und irgendwie habe ich nie etwas dazu gefunden. Vielen Dank für das erneute posten des Beitrages. „
„Wie schrecklich, so kurz vor Kriegsende. Die Versorgungslage muss nach dem schlimmen Winter furchtbar gewesen sein, und im April wächst ja auch noch nicht so viel. Meine Oma lebte seit Januar mit Kind, Eltern und Schwiegereltern in Görlitz. Ich frage mich oft, wie sie alle durchgebracht hat. Danke für das Erzählen, ich hatte noch nie etwas von diesen Frauen gehört.“
„Brrr, Gänsehaut. Ganz klasse wieder!! 🍀👍🍀👍“
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