Das einzige Fachwerkschloss der Oberlausitz in Hagenwerder

Schloss-Hagenwerder-Nickrisch-Emmerich
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Wahrscheinlich sind wir schon alle 100x am Schloss Hagenwerder vorbei gekommen und haben gar nicht verstanden, welch Besonderheit da leer und traurig rumsteht. Ich will es Euch gern erzählen…

Emmerichs Dörfer-Monopoly

Da ist es wieder: Die reichen, unfassbar reichen Görlitzer Händler, Ratsherren und Bürgermeister und ihre Lust, einfach rund herum alle Dörfer zu kaufen und dort Herrenhäuser und Schlösser zu errichten. Hier haben wir also ein Emmerich-Dorf, welches er 1480 gekauft hat. Eines von 19.

Besonders wird es nun, da die Ortschaft Nickrisch (alter Name von Hagenwerder) von 1457 bis 1945 in Emmerichhand blieb und zwar in der – erneut – weiblichen Ahnenlinie! Wir sprechen also von 488 Jahren Familiendynastie. Was Frauen einmal haben, haben sie!
Haben schon alle ihren Stammbaum fertig?

Ortsname Nickrisch – ein ungeheilter Kriegsschaden

Vielleicht kurz ein Wort zu Nickrisch und überhaupt zu Ortsnamen. Es war die Zeit um 700 nach Christus, als die Lausitz noch aus viel Wald und Wasser bestand und sich zeitgleich slawische und deutsche Siedler so langsam hier nieder ließen. Lausitz kommt von “Lusatia” und das ist sorbisch und heißt “feuchte Niederung” bzw “Sumpfland”. Deutsche und Slawen kamen vernünftig nebeneinander aus. Zeitweise sollen die Deutschen sogar die slawische Sprache angenommen haben. Und so heißt bei uns so manche Ortschaft -litz und -risch und -ritz. So auch Nickrisch.

1936 wurde “aufgeräumt” und alles, was zu slawisch klang, eingedeutscht. Darunter fiel auch Nickrisch, das erstmals 1335 als “Nickers” in den Geschichtsbüchern auftaucht. 1340 wird ein „Jakof von Nikrozhin” erwähnt. Alles leitet sich ab vom sorbischen Namen Nikros. Das sind immerhin 601 Jahre als Nickrisch. Als man 1945 eilig viele Umbenennungen rückgängig machte, bleib Nickrisch Hagenwerder.
Aber zurück zum Schloss…

Einziges Fachwerkschloss weit und breit

Das Schloss ist relativ original erhalten. Der Bau wird ins 16. oder 17. Jahrhundert datiert. Damit ist es ein Beispiel für die ländliche Renaissance in der Oberlausitz. Es besteht im Untergeschoss aus Feldbruchsteinen. Darauf folgt das Obergeschoss als Fachwerk.

Fachwerk ist bei Schlössern eher ungewöhnlich – zumindest in unserer Gegend. Und insgesamt war ein Fachwerkschloss einfach nur größer, wie die Häuser drum herum. Dieses hier ist immerhin zwei-etagig plus Dach. Das war schon was!

Ich habe fleißig umhergesucht und finde im Landkreis Görlitz nur noch die Kirchenburg Leutersdorf in Fachwerk-Bauweise (25 km Luftlinie), die man aber eventuell nicht mitzählen kann (Kirche mit Befestigungsanlage). Im Landkreis Bautzen gibt es gar keins. Erst wieder im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge das Jagdschloss Bielathal (67 km Luftlinie). Der Landkreis Meißen hat Schloss Hoflößnitz (90 km Luftlinie). In Brandenburg finde ich in den angrenzenden Landkreisen gar keins. In Polen in der ganzen polnischen Oberlausitz nicht. Und in ganz Nordböhmen/Tschechien finde ich auch keines.

Kurz: Schloss Nickrisch ist etwas ganz ganz besonderes! Es ist das einzige erhaltene “Fachwerkschloss” der Oberlausitz.

Südseite: Mit Andreaskreuzen unter den Fenstern und einem vorgezogenen Walmdach an den Giebelseiten.
Ostseite: Auch der andere Giebel hat dieses überhängende Dach.
Nordseite: Vielleicht der Grund, warum wir dort alle achtlos vorbei fahren: Die Straßenseite.

Anbau 1763

1763 gehörte es gerade Floriana Elisabeth Emmerich, die den Ratsherren Johann Gottfried Tischer geheiratet hatte. Unter ihnen entstand ein Anbau auf der Westseite und das barocke Türmchen kam aufs Dach. Im Anbau ist ein geräumiger Saal.

Westseite: Der massive Anbau
Süd-Westlich: Anbau von 1763 und Originalschloss vom 16./17. Jhd.

Die Innenräume waren reich verziert. Von dort führte eine hölzerne Wendeltreppe ins Dachgeschoss, was ebenfalls Wohnzwecken diente.

Von Johann Gottfried Tischer, der 1776 kinderlos starb, ging es zurück in die weibliche Emmerich-Linie zu Helena Tugendreich Emmerich. Diese vermachte es ihrer Tochter Sophie, die mit Siegmund Traugott Hagendorn verheiratet war. Bei den Hagendorns blieb es bis 1945. Möglicherweise hat der Name Hagendorn zum Ortsnamen Hagenwerder inspiriert.

Nach 1945

Die 145 Hektar Land, die zum Schloss gehörten, wurden an Neubauern verteilt. Dann war es Gemeindeverwaltung und Wohnhaus. Einiges von der üppigen Innenausstattung ist wohl inzwischen weggekommen. Die Eigentümer wechselten noch ein paar Mal, dann wurde es im September 2008 versteigert für ein Mindestgebot von 5000 Euro für 625 Quadratmeter Nutzfläche und 878 Quadratmeter Grundstück.
Seit dem….?

Immerhin: Ein Nebengelass ist heute Wohnhaus.

Vielleicht zieht ja nochmal Leben ein in das einzige Fachwerkschloss der Oberlausitz.


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