Die Nonnenstraße und das Frauenviertel

Nonnengasse-Goerlitz-Frauenturm-Frauentor
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Es ist ein bisschen eine unerzählte Geschichte der Stadt, eine verborgene. Was hat es mit der Nonnenstraße in Görlitz auf sich? Wir müssen vielleicht sogar alle gemeinsam zusammen tragen, um diese Geschichte richtig zu erzählen. Ich fange mal an:

Die Nonnenstraße war mal viel länger

Die Nonnenstraße kennen wir heute von Steinstraße bis Klosterplatz. 1305 tauchen für sie zwei Namen auf: Schwesterngasse und „platea monialum“, was Nonnengasse heißt. Ab 1380 setzt sich dann „Nonnengasse“ durch als Straßenname.

Im Jahr 1403 hatte die Nonnengasse 45 Häuser! Im Jahr 1559 nur noch 17. Heute, 2020, sind es 19 (wobei die 17 fehlt). Wo sind die ca. 26 Häuser hin? Wurden durch Umbauten und Erweiterungen aus drei Kleinen ein Großes? Eher nicht!

Noch auf dem Kupferstich von Daniel Petzold von 1714, den wir an allen Stadttoren finden, geht die Nonnengasse von der Steinstraße bis Klosterplatz, dort im Bogen am Kloster vorbei und bis zum Durchgang Schwibbogen. Man könnte sogar noch Teile der Fischmarktstraße dazu zählen. Zählt man heute die Häuser von Steinstraße bis Schwibbogen, kommt es wieder hin. Das ist die wahre alte Nonnenstraße und damit eines der größten Areale des Mittelalterlichen Görlitz!
(Quellen: Görlitzer Straßennamen Straßen und Plätze mit Geschichtsbezug, Mängelmelder Görlitz – wegen der Hausnummern).

Alles, wo da “U” steht, wird 1714 als “Nonnengasse” beschriftet. Also bis zum Schwibbogen und in die Fischmarktstraße.

Eine Anekdote zu den Nonnen/Schwestern in Görlitz

Das Büchlein „Görlitzer Sagen“ von Walter Haupt (Jahr 2000) erzählt mir dazu folgendes:
„Am 11. Mai 1427 überfielen die Hussiten das Kloster Marienthal bei Ostritz, plünderten und brannten es nieder. Die meisten Nonnen waren schon nach Görlitz geflohen, wo sie in der Gasse untergebracht wurden, die noch heute die Nonnengasse (-Straße) heißt.“

Jetzt die Heldinnengeschichte!
„Die Äbtissin (Anmerkung: das ist die Vorsteherin eines Klosters) aber, Anna von Gersdorf, hatte, von Anhänglichkeit an das Kloster und frommen Gottvertrauen beseelt, das Kloster nicht verlassen wollen. Bei dem Überfalle flüchtete sie sich daher, um der Schande und dem Tode zu entgehen, über die Neiße, in den nahen Wald, bemerkte aber bald, daß sie einem verfolgenden Soldaten nicht entgehen kann.“

Und jetzt:
„Plötzlich wendet sie sich um und kehrt zurück. Ihre hohe wundervolle Gestalt, ihre majestätische Haltung und das lebendige Gottvertrauen, daß aus ihren Augen und ihrem ganzen Wesen spricht, hemmt die Schritte des Verfolgers. Von der plötzlichen sie umstrahlenden überirdischen Glorie im Innersten ergriffen, fällt er vor ihr nieder und erblindet.“
Vorsicht ihr Halunken! Frauen können so etwas 😉

„Die Äbtissin aber kam unangefochten nach Görlitz und nahm ebenfalls ihren Wohnsitz in der heutigen Nonnenstraße ein.“
Blöd nur, dass die Nonnenstraße schon 1305 so genannt wird und diese Geschichte sich 1427 zutrug. Wir müssen also weiter suchen. Ich wollte Euch diese Begebenheit jedoch nicht vorenthalten. *zu köstlich

Die Brüder vom Kloster und die Schwestern in der Nonnenstraße

Nur in diesem Zusammenhang versteht man die Nonnenstraße.
Es gab also das Franziskanerkloster am Klosterplatz mit den Männern/Mönchen. Dazu die Dreifaltigkeitskirche, sie wurde 1234 bis 1245 errichtet. Und die Brüderstraße (fromme Brüder). Nun durften die Franziskaner keine Frauen dabei haben. Ohne Frauen, die bestimmte Aufgaben übernehmen, ging/geht es jedoch nicht.

Und so gründete sich zu dem Kloster ein „Dritter Orden“. Das nun wieder ist ein vorwiegend aus Laien bestehende Gemeinschaften, die selbst so nicht ins Kloster eintreten können (Frauen), dennoch nach dessen Regeln und Spiritualität leben wollen. In dem Fall gelobten sie ein frommes Leben zu führen, ohne aber im Kloster selbst zu leben. Und so haben wir es in der Nonnenstraße mit „Tertiarinnen“ zu tun.

Die Aufgaben der Nonnen aus der Nonnenstraße

Man könnte sagen, dass war ein Beruf bzw eine Lebensperspektive, Tertiarin in Görlitz zu werden und auf die Nonnenstraße zu ziehen. Vor allem brachte es Sicherheit und Gemeinschaft, wenn man verwitwet war. Und so kamen die Frauen tatsächlich aus Bautzen, Ostritz, Rothenburg, Kamenz, Goldberg und Nikolausdorf, wie unser „Rotes Buch“ weiß. Meist mit einem gewissen Vermögen ausgestatten.

Diese Frauen beteten, engagierten sich in der Armen- und Krankenfürsorge, übernahmen den Hospitaldienst (Gesundheits-, Pflegedienst, Altenbetreuung). Und sie waren die Verwaltungsfachfrauen der Franziskaner, da diese offiziell ja gar kein Geld einnehmen durften.

Das Frauenviertel von Görlitz

Und jetzt geht plötzlich ein noch viel größerer Zusammenhang auf!

Frauenturm: Der „Dicke Turm“ hat seinen Namen ja nur aus dem Volksmund. Gebaut wurde er 1250 als “Frauenturm” im Frauenviertel.
Frauentor: Am Frauenturm dran war – folgerichtig – das Frauentor.
Wappen mit Maria und Barbara: Diese zwei Figuren hängen heute im Wappen am Frauenturm. Zuvor war das Wappen am Frauentor. Und wer ist Maria? Es ist die Mutter (eine Frau) von Jesus. Und Barbara? Sie hat viele Bedeutungen. So gilt sie als Patronin der Mädchen, der Sterbenden und der Gefangenen, aber auch als Schutzheilige der Feuerwehren und vieles mehr. Eine ganz spannende (weibliche!) Figur.
Annenkapelle: Die Annenkapelle ist der Heilige Anna geweiht. Sie gilt als Mutter Marias und damit als Großmutter Jesu Christi. Es ist erneut die Verehrung einer Frau!

Liebfrauenkirche: Ein herrlicher Name, oder? Ich werde ihn mir angewöhnen! Schon im 14. Jhd als Holzkirche vorhanden. Diese nannte sich „Neue Kirche zu Unserer Frauen“. Ab 1459 dann Bau einer Steinkirche mit Weihe 1473.
Frauenspital: Es wurde 1483 angelegt an der Frauenkirche und war eine Art Fremdenhospiz und bot Pilgern Unterkunft und Verpflegung. Emmerich spendete ihm eine beträchtliche Summe und so wurde es zum Spital („Spittel“ genannt). Es diente als Heim für 35 unbemittelte und arme Leute. Es stand dort, wo heute die Bärenapotheke und Leiser Schuhe sind. Zwischen Liebfrauenkirche und Frauenspital war das Spittelthor.
Frauen-Kirchhof: Die Wohlhabenden Görlitzer wurden schon immer auf dem Nikolaifriedhof beerdigt. Auf dem Frauen-Kirchhof fanden ab 1350 die Pesttoten ihre letzte Ruhe (vor den Toren der Stadt). Genauso die Ärmeren, die Bewohner des Frauenspitals und die Enthaupteten. Erst im 17. Jhd entstanden auch auf diesem Friedhof einige Grufkapellen angesehener Familien. 1840 wurde die Friedhofsmauer abgerissen, da die Stadterweiterung begann. 1888/89 wurde der Friedhof eingeebnet. 2015 kamen erneut Skelette zum Vorschein bei der Sanierung des Platzes.

Liebfrauenkirche, Frauen-Kirchhof, (Frauenspital nicht so wirklich)

Das gesamte Areal nannte sich „Frauenviertel“! Weiterhin gab es das Reichenbacher Viertel (rund um Reichenbacher Turm), das Nikolaiviertel (rund um den Nikolaiturm) und das Neißeviertel (rund um den abgerissenen Neißeturm).
(Quellen: „Der Postplatz“ im Herzen von Görlitz, „Allerlei aus Alt-Görlitz“, Wikipedia)

Einige der Quellen. Gibts in der Stadtbibiliothek und in der OLB

Eure schönen Kommentare

“Ein interessanter Artikel. Leider bin ich mit der Namensgebung der Frauenkirche nicht ganz einverstanden. In der Universität von Salzburg gibt es eine Banderole, welches die Frauenkirche als Marienkirche benannt. Erst im Zuge der Reformation wurde sie umbenannt; daher hat der Marienplatz seinen Namen. Noch ein kleines Wissensbonbon: Jedes der 4 Viertel hatte seine eigene Farbe.”
> “Jawohl und diese Farbe fand sich auf Fahnen wieder, die im Bedarfsfall aus dem Turm und in die jeweilige Richtung gehangen wurden – wo zum Bsp Feuer ausbrach oder Feinde zu sehen waren. Das findet man alles als Ausstellung im Reichenbacher Turm, der ja zum Glück bald wieder öffnet.”
“Wieder viel dazugelernt… Vielen Dank und einen wunderschönen Frauentag 💐”
“Danke, dass du soviel Geschichten von Görlitz hier berichtest. In Görlitz bin ich und sind meine beiden Kinder geboren. Wir werden alle auf immer und ewig mit Görlitz verbunden sein❤️”


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