Görlitz im Jahr 2030 – Eine neue Autobrücke über die Neiße

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Das Argument unseres Oberbürgermeisters war auf den ersten Blick einleuchtend: Regelmäßig zur Rushhour erstickt die Innenstadt am Verkehr, der sich über die bisher einzige Autobrücke innerhalb der Stadt nach bzw. von Zgorzelec quält. Hier soll Entlastung geschaffen werden mit einer weiteren Autobrücke. Der Bürgermeister von Zgorzelec untermauerte es mit den Worten: „Wir sollen Brücken bauen und nicht Zäune.“

Auf den zweiten Blick fällt auf, dass der Stau, der sich täglich die Kahlbaum-Allee lang wälzte, vor allem mit dem Bau des neuen Kreisels hinter der Stadtbrücke in Zgorzelec zusammenhing.

Brücken, damals und jetzt

Ich denke, wir Görlitzer haben nichts grundsätzlich gegen Brücken. Wir stehen auf „historisch“ und wissen sehr genau, dass seit 1945 genau 4 Brücken fehlen: In Weinhübel am Wehr, unterhalb des Viaduktes die Fußgängerbrücke, am Lindenweg und am Hirschwinkel – ja okay, alles keine Autobrücken. Ganz großer Favorit in der Bevölkerung wäre die Fußgängerbrücke am Viadukt, um herrlich durch das Brückenparkgelände im Kreis spazieren zu können.

Aber viele Görlitzer verbinden Brücken nach Zgorzelec sofort mit Grenzkriminaliät und Drogen. Dass sie damit nicht völlig falsch liegen können, zeigen die vielen neu gebauten Überwachungsanlagen. Zwei davon „bewachen“ die Brücken von und nach Zgorzelec.

Letzter Versuch: Lindenwegbrücke

An den letzten Versuch, eine Brücke zu planen, können wir uns noch gut erinnern: 2014 fasste der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zum Bau einer Brücke am Lindenweg – ohne viele Information an die Bevölkerung im Vorfeld. Man begründete das damals damit, dass keine Zeit zu verlieren wäre, weil es nur eine kurze Frist zur Beantragung von Fördermitteln gab.

Dann passierte, was eben passiert, wenn man mündige Bürger einfach so vor vollendete Tatsachen stellt. Sie wehrten sich. Es wurden Unterschriften gegen die Brücke gesammelt, ein Bürgerentscheid sollte auf den Weg gebracht werden. Wie der Entscheid damals ausgegangen wäre, wissen wir nicht. Das Projekt wurde letzlich gestoppt, weil die Fördermittel, welche die Stadt hätte kriegen können, nicht ausgereicht hätten.

Gemeinsam mit den Bürgern

Der heutige OB war damals selbst Stadtrat. Er weiß also, dass solche sensiblen Projekte sehr gut vorbereitet und die Bürger mitgenommen werden müssen. Dass er das ernst nimmt, zeigt er gerade, indem er durch alle acht Beteiligungsräume tourt, um den Görlitzern die Vorschläge der Verwaltung zur Änderung der Grünanlagensatzung zu erklären und sie um ihre Meinung zu bitten.
Was bei den Grünflächen geht, sollte bei einer Brücke über die Neiße selbstverständlich sein.

Die Sache mit dem Standort

Der OB kann sich vorstellen, die Brücke an die verlängerte Schlesische Straße zu bauen und damit die Gewerbegebiete zu verbinden. An sich keine schlechte Idee. Der Grenzverkehr würde sich erst gar nicht in die Innenstadt verirren müssen. Weder nach Görlitz, noch nach Zgorzelec.

Aber hier kommt nun alles zusammen, was ich im Vorwort geschrieben hatte:
– bitte keine wesentliche Verschlechterung durch die Neuerungen.
– Veränderungen bedeuten Wandel und den muss man erst einmal verkraften.
– Unbedingt die Bevölkerung mit nehmen, denn die innere Entwicklung ist genauso wichtig.

Eine Brücke an dieser Stelle würde die Königshufener tangieren, denn die Schlesische Straße würde zukünftig den halben Grenzverkehr abfangen. Und die Menschen an der Rothenburger würden eine Veränderung vor ihrer Haustür an irgendeiner Stelle erleben.

Hier gerade weiter…
… kommt man hier raus (in der Ferne das Heizwerk Königshufen).

Aber bei der genauen Bestimmung eines Standortes sind wir noch gar nicht. Vorher müssen Politik und Verwaltung eine Menge Hausaufgaben machen. Und natürlich mit Zgorzelec verhandeln. Vermutlich reicht es nicht, nur mit der Stadt Zgorzelec zu reden. Bei Grenzbrücken sind sicher auch der Landkreis Zgorzelec, Breslau, Warschau und Sachsen gefragt.

Völlig ausgeliefert vs. Mitspracherecht

Für alle, die das Gefühl haben, dass Entscheidungen, wie der Bau einer neuen Brücke, über uns hereinbrechen und wir völlig ausgeliefert sind, hier die gute Nachricht: In Wahrheit gibt es ganz viele Möglichkeiten, diesen Entscheidungsprozess einerseits zu verfolgen und andererseits mitzugestalten. Und auch, wenn viele nur ungern das Amtsblatt lesen und nie zu öffentlichen Auslegungen von Planungen gehen – das sollte man aber tun. Hinterher zu meckern, wenn man vorher zu faul war seine Stimme an der passenden Stelle zu erheben, ist zwar bequem, aber sinnlos.

Partizipation – welche Möglichkeiten haben wir da?

1. Sowohl Stadträte, als auch der OB und die Verwaltung sind per Post/Mail/vor Ort erreichbar. Fragen zu stellen, Informationen zu bekommen, ist also kein Problem.

2. Jeden Monat ist bei der Stadtratssitzung 30 Minuten lang Bürgerfragestunde. Traut Euch! Geht hin, stellt Eure Fragen. Direkt öffentlich an die, die sie beantworten können.

3. In allen acht Beteiligungsräumen gibt es Bürgerräte. Sie vertreten Eure Anliegen gegenüber der Politik und der Verwaltung. Jeder Bürgerrat trifft sich regelmäßig zu Stammtischen. Geht hin und sprecht Eure Bürgerräte an!

4. Bebauungspläne liegen öffentlich aus, da kann Einsicht genommen werden. Die Info dazu steht im Amtsblatt und online. Sollten wir mit dem, was in den Bebauungsplänen steht, nicht einverstanden sein, können wir das der Verwaltung schreiben. Sie muss sich dann mit den Bedenken auseinandersetzen und gegenüber den Stadträten, die die Pläne letztendlich beschließen, erklären, wie sie damit umgehen wird.

5. Und überhaupt die Stadträte! Die haben wir gewählt, damit sie unsere Interessen vertreten. Redet mit ihnen darüber, was Euch nicht passt, was verändert und verbessert werden soll. Die Stadträte sind die entscheidenden Größen in der Kommune. Sie bestimmen, was mit dem kommunalen Geld passiert, sie beauftragen die Verwaltung damit, Projekte durchzuführen, sie regieren die Stadt…. Wenn wir das Gefühl haben, wir werden nicht richtig vertreten, wählen wir das nächste Mal andere.

6. Und dann war da ja noch der Bürgerentscheid, wenn nichts anderes mehr geht.

Gehts auch ohne weitere Autobrücke?

Vielleicht kommt es gar nicht dazu, weil der Stadtrat grenzüberschreitenden Linienverkehr mit Bus und Straßenbahn beschließt mit coolem Park´n´Ride Konzept. Oder die Wirtschaft findet Lösungen gegen diese nervige Pendelei mit Homeoffice oder vielen kleinen dezentralen Minibüros. Oder oder oder… Noch ist alles offen!

Miteinander über die Neiße

Wichtig bei allen neuen Vorhaben ist, dass jeder die Möglichkeit bekommt, seine Meinung zu sagen und alle bereit sind, miteinander zu reden und die bestmöglichen Kompromisse zu finden. So kriegen wir gemeinsam auch eine neue Brücke über die Neiße hin. Vielleicht erst in einigen Jahren, wenn klar ist, dass sie an einer Stelle gebaut wird, wo sie sinnvoll ist und gebraucht wird. Wenn klar ist, dass ihr Nutzen größer ist als ihr möglicher Schaden, und wenn der größere Teil der Görlitzer sie auch möchte. Aber es geht eben nur MIT den Görlitzern, auch wenn es für die Entscheider mühsam und unbequemer werden könnte – von oben regieren war gestern.

Symbolbild, Bildquelle: DIE PARTNER/AdobeStock-Woods

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